Nachtlandschaften

Nachtlandschaften – wie wir von ihnen träumen

Dark-Sky Switzerland versteht sich heute als Umweltorganisation. Es waren aber Astronomen, die bei ihrer Arbeit als Erste die zunehmende Lichtverschmutzung registrierten. Sie waren dabei, als die International Dark-Sky Organisation (IDA) gegründet wurde, der auch Dark-Sky Switzerland angehört. Sie waren von den ersten, die das zunehmende Verschwinden der Nacht bemerkten – und mit ihr das Verschwinden des Sternenhimmels.

Urs Leutenegger ist Chemiker, Fotograf und Mitglied von Dark-Sky Switzerland. Auf den Kanarischen Inseln La Palma und El Hierro fotografierte er in den letzten Jahren immer wieder den Sternenhimmel, wie wir ihn hier in der Schweiz nur noch erträumen können.

Er hat uns sieben wunderbare Aufnahmen zur Verfügung gestellt und mit Texten versehen. Diese Texte geben – in aller Kürze – astronomische, physikalische und biochemische Hinweise. Sie vergegenwärtigen räumliche und zeitliche Dimensionen, schaffen überraschende Verbindungen zwischen dem Geschehen am Himmel und auf der Erde.

Kleine Gebrauchsanweisung: Schauen Sie die Nachtaufnahmen in einem eher dunklen Raum an, ohne Gegenlicht hinter dem Bildschirm, und klicken Sie auf die Bilder, um sie zu vergrössern. So wird die Brillanz der Fotografien voll zur Geltung kommen.

Fototechnisch Interessierte finden nähere Angaben zu jedem Bild.

Wir freuen uns, Ihnen diese inspirierende Zusammenstellung auf unserer Website präsentieren zu können und danken Urs Leutenegger für seine Arbeit an den Bildern und Texten – und für die interessante Zusammenarbeit.

Marianne  Biedermann

All nightscape photographs on this page are courtesy and copyright of Urs Leutenegger, Switzerland. Reproduction of images with his permission only.

 

An diesem warmen Herbstabend spielten die Farben auf La Palma verrückt. Das Panorama zeigt den Planeten Jupiter und das Sternbild Skorpion zusammen mit rötlichen, orangen und rosa Wolken in unterschiedlicher Höhe: Dreiviertelstunden nach Sonnenuntergang wird nur die Unterseite der Wolken beleuchtet, die Oberseite liegt teilweise im Schatten. Sehr hoch liegende Wolken sehen fast weiss aus.

Um die Struktur der sich bewegenden Wolken beizubehalten, wurde lediglich ein einzeiliges Panorama angefertigt und pro Kameraposition nur eine einzige Aufnahme gemacht; die Pause zwischen den Aufnahmen wurde so kurz wie möglich gehalten.

Autumn dusk sky on La Palma. Orange-pink clouds, Jupiter in Scorpius.

Nightscape panorama – one row – four camera positions – just a single frame per camera position to maintain the texture of the moving clouds and to avoid their smoothing out – four frames taken at 20:28 on October 15th, 2019 – Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm, f/2.8, ISO 100, 10 sec – images aligned in PTGui – White Balance set to 4400K – reducing colour saturation in Lightroom.

 

Dieses Panorama wurde im August 2019 nahe dem Roque de los Muchachos (2426 m ü.M.) auf La Palma aufgenommen. Es zeigt den Milchstrassenbogen über der Caldera de Taburiente. Oftmals ist dieser riesige kraterförmige Einsturzkessel des Garafía-Vulkans, der vor über einer Million Jahre kollabierte, mit Nebel gefüllt. Nicht aber an diesem warmen Sommerabend, an dem sogar einzelne Lichter in der Playa de Taburiente sichtbar waren.

Im Süden – rechts im Bild – sind die Sternbilder Skorpion und Schütze, die Planeten Jupiter und Saturn und das Zentrum unserer eigenen Galaxie dominant. Über die Sternbilder Adler und Schwan führt das Panorama nach Norden. Eine solche nuancierte Abbildung der feingliedrigen Dunkelnebel unserer Milchstrasse gelingt nur bei sehr geringer Lichtverschmutzung.

Summer Milky Way over Caldera de Taburiente, La Palma. Scorpio and Sagittarius in the south with Jupiter and Saturn, constellation Eagle and Swan towards north.

Nightscape panorama – two rows – seven camera positions per row – landscape: one frame per camera position, f/2.8, ISO 400, 10 sec – sky: three frames per camera position, f/2.8, ISO 6400, 10 sec, images noise reduced in Starry Landscape Stacker – landscape and sky images blended in Photoshop and aligned in PTGui – Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm – landscape: 14 frames taken between 21:43 and 21:47 – sky: 42 frames taken between 22:13 and 22:23 on August 2nd 2019.

 

In der äusserst klaren Nacht vom 2. Januar 2019 faszinierte das Zodiakallicht mit beeindruckender Intensität: In diesem 300 Grad Panorama schmückt der diffuse Lichtkegel, der durch die Streuung von Sonnenlicht an interplanetaren Staubpartikeln entsteht, zusammen mit dem Milchstrassenbogen die Silhouette des Pico de la Cruz (2351 m ü.M.) auf La Palma.

Ganz links und rechts im Bild sieht man die Lichter von Los Llanos de Aridane – dem grössten Ort der Insel – und der über 100 Kilometer entfernten, lichtverschmutzten Nachbarinsel Tenerife.

Zodiacal light with Milky Way over silhouette of Pico de la Cruz, La Palma. Light pollution from Los Llanos de Aridane and Tenerife at horizon.

Nightscape panorama – two rows – ten camera positions per row – one frame per camera position (Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm, f/2.8, ISO 10.000, 10 sec) – 20 frames taken between 21:58 and 22:04 on January 2nd 2019 – images aligned in PTGui.

Die gemalte Beobachtungsskizze des französischen Astronomen Etienne Léopold Trouvelot ent­stand 1876 – in einer Zeit, als die Astrofotografie noch in den Kinderschuhen steckte. Sie zeigt das horizontnahe v-förmige Zodiakallicht am Abendhimmel.

Rare Book Division, The New York Public Library. "The zodiacal light" The New York Public Library Digital Collections. 1881 - 1882. //digitalcollections.nypl.org/items/510d47dd-e81d-a3d9-e040-e00a18064a99

 

Die Nordwestküste La Palmas bietet viele Gelegenheiten, in weiten Serpentinen, oftmals geländergesichert, durch eine Steilwand hinab zur Küste des Atlantischen Ozeans hinabzusteigen. Dieses Panorama entstand während der späten Dämmerung auf einer flachen Lava-Landzunge bei Ebbe. Ganz links im Bild ist das Licht eines in das steile Felsmassiv eingebauten Häuschens zu erkennen. Der dort wohnhafte, äusserst liebenswerte Fischer warnt übermütige Fotografen und fordert sie auf, das Meer gut zu beobachten. Der Atlantik ist unberechenbar.

Etwas verdeckt durch das Felsmassiv ist das zarte Zodiakallicht zu sehen. Daneben befinden sich die Sternbilder Leier und Schwan mit ihren Hauptsternen Wega und Deneb, welche sich beide in einem Lavateich mit ruhigem Wasser spiegeln. Die Fortsetzung der “Wanderung” nach rechts, vom höchsten Punkt des Milchstrassenbogens aus – exakt in der Mitte des Panoramas, wo sich das Sternbild Cassiopeia befindet – führt zu einem hell leuchtenden Doppelsternhaufen, danach zum Sternbild Perseus und schliesslich zu den Plejaden und Hyaden, zwei leicht erkennbaren offenen Sternhaufen.

Milky Way over low tide northwest-coast of La Palma. Mirrored stars Vega and Deneb in the sea, Lyra and Swan, Cassiopeia and Pleiades and Hyades in the sky. Zodiacal partly light behind coastal silhouette.

Nightscape panorama – two rows – nine camera positions per row – landscape: one frame per camera position, f/3.2, ISO 800, 30 sec – sky: three frames per camera position, f/3.2, ISO 6400, 15 sec, images noise reduced in Starry Landscape Stacker – landscape and sky images blended in Photoshop and aligned in PTGui – Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm – landscape: 18 frames taken between 19:04 and 19:16 – sky: 54 frames taken between 19:58 and 20:11 on December 23rd 2019.

 

Dieses 180 Grad Panorama zeigt direkt nach Norden; in der Mitte des Bildes liegt der Polarstern. Der Sternenhimmel wurde innerhalb von acht Minuten von links nach rechts fotografiert – dies während des Monduntergangs im Westsüdwesten. Die Rayleigh-Streuung des Mondlichts bewirkt, dass der Westhimmel in Horizontnähe eine schwach bläuliche Farbe aufwies. Zu diesem Zeitpunkt – um 03:18 Uhr – erreichte der höchste Punkt der Milchstrasse eine Höhe von knapp sechzig Grad und konnte gerade noch ohne starke optische Verzerrung der hochliegenden Sterne im zweizeiligen Panorama festgehalten werden. Zu Beginn der astronomischen Dämmerung um 06:49 Uhr erreichte der Milchstrassenbogen den Zenit.

Es war die Absicht des Fotografen, in der verbleibenden Zeit bis zur Dämmerung einige Sternschnuppen des Meteorstroms der Draconiden unterhalb des Milchstrassenbogens einzufangen. Der Meteorstrom sollte in dieser Nacht sein Maximum erreichen; sein Radiant liegt im Sternbild Drache links des Polarsterns nahe am Horizont. Doch auf keiner der mehreren hundert Aufnahmen war ein bedeutsamer Meteorit zu sehen… So wurde schliesslich während der Morgendämmerung die ausserordentlich beeindruckende Landschaft der Cumbrecita und der Caldera de Taburiente auf La Palma fotografiert, um diese zusammen mit dem imposanten Sternenhimmel festhalten zu können.

Polaris and the Milky Way after moonset. Wild-romantic landscape of Cumbrecita and Caldera de Taburiente on La Palma.

Nightscape panorama – two rows – six camera positions per row – landscape: one frame per camera position, f/2.8, ISO 800, 2 sec – sky: three frames per camera position, f/2.8, ISO 6400, 10 sec, images noise reduced in Starry Landscape Stacker – landscape and sky images blended in Photoshop and aligned in PTGui – Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm – landscape: 12 frames taken between 07:33 and 07:34 – sky: 36 frames taken between 03:14 and 03:22 on October 8th 2019.

 

Die Milchstrasse steigt beinahe senkrecht aus dem Atlantischen Ozean, darin eingebettet liegt das Sternbild Cassiopeia, auf dessen linker Seite ist die Andromeda-Galaxie erkennbar. Eine sich in der Brandungszone überschlagende Welle ruft während kurzer Zeit intensives Meeres­leuchten hervor und gleichzeitig verglüht ein Meteor beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Begleitet werden die beiden Ereignisse von grünlichem und orangem Nachthimmelleuchten.

Diese Aufnahme entstand morgens um 6:53 Uhr – kurz nach Beginn der astronomischen Däm­merung – an der Westküste im Norden La Palmas. Das blaugrüne Licht des Meeresleuchtens stammt von Mikroorganismen, welche in der sich überschlagenden Welle erhöhten Berüh­rungsreizen ausgesetzt sind und dadurch Biolumineszenz aussenden. Um weniger als eine Tausendstelsekunde verzögert treffen die Lichtemission des Meteors und diejenige des Nacht­himmelleuchtens aus 100 bis 300 Kilometern Höhe in der Erdatmosphäre bei uns ein. Das Licht des Hauptsterns der Cassiopeia, Schedir, benötigt 230 Jahre um bei uns anzukommen und die Nachbargalaxie Andromeda befindet sich rund zweieinhalb Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Unmittelbare und späte Vergangenheit in einem Bild.

Vertical Milky way over Atlantic Ocean, Cassiopeia and Andromeda, bioluminescence in sea wave, single meteor hitting atmosphere close to horizon. Natural night sky glow. Northwest of La Palma.

Sony A7s not astro-modified – main frame with meteor and bioluminescence taken at 06:53, Zeiss Batis 18mm, f/2.8, ISO 6400, 10 sec – additionally eight frames were taken for noise reduction in Starry Landscape Stacker – altogether 9 frames taken between 06:52 and 06:54 on October 10th 2019.

 

Im Juli 2019 standen Planet Jupiter neben Antares, dem hellsten Stern im Sternbild Skorpion, und Planet Saturn im Sternbild Schütze. Die beiden Planeten flankierten das galaktische Zentrum im hellsten Teil unserer Milchstrasse. Die siderische Umlaufzeit von Saturn beträgt 29.5 Jahre; alle neunundzwanzigeinhalb Jahre kehrt Saturn also an den gleichen Ort am Fixsternenhimmel zurück.

Der in diesen beiden Bildern im Gegenlicht der Sterne sichtbare uralte Phönizische Wacholder (juniperus turbinata) – über Jahrhunderte vom Nordost-Passatwind auf El Hierro niedergerungen und grotesk verformt – hat die Rückkehr des Planeten Saturn ins Sternbild Schütze oftmals miterlebt; die Spezies wird bis zu tausend Jahre alt.

Aufnahme A wurde ohne Weichzeichner aufgenommen. Sie zeigt die vielen Tausend Sterne und die Struktur der Milchstrasse, die in einer ganz dunklen Nacht zu sehen sind. Der Einsatz eines Weichzeichners in Aufnahme B hebt die helleren von den dunkleren Sternen ab; das Sternbild Skorpion ist dadurch besser zu erkennen. Das Stativ der Kamera musste mit über zehn Kilogramm grosser Gesteinsbrocken beschwert werden, um dem Nordost-Passatwind standzuhalten.

Jupiter close to Antares, Scorpio; Saturn in Sagittarius, galactic center of the Milky Way. Phoenician Juniper silhouette at horizon on El Hierro. No soft focus applied.
 
Picture A: Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm, f/2.8, ISO 6400, 10 sec – 45 frames taken between 23:51 and 00:01 on July 23rd 2019 – images noise reduced in Starry Landscape Stacker.

Soft focus allows for better visibility of the bright against the faint stars. Jupiter close to Antares, Scorpio; Saturn in Sagittarius, galactic center of the Milky Way. Phoenician Juniper silhouette at horizon on El Hierro.

Picture B: Sony A7s not astro-modified, Zeiss Batis 18mm, f/2.8, ISO 6400, 10 sec – 19 frames taken between 23:28 and 23:32 on July 23rd 2019 – using a diffuser to see the constellations more clearly – images noise reduced in Starry Landscape Stacker.

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