Mehr Licht – mehr Sicherheit?

Dark-Sky Switzerland: Der Schein trügt – Manchmal ist weniger mehr.

von Philipp Heck – Original erschienen in der MorgenWelt Wissenschaft am 29. November 1999

Auf den ersten Blick scheint der Zusammenhang klar: Je mehr Licht, desto größer die Sicherheit. Hell erleuchtete Straßen erhöhen die Verkehrssicherheit. Die möglichst vollständige Ausleuchtung jedes Winkels in unseren Städten schützt vor Kriminalität. Doch eine Reihe von Studien – und nicht zuletzt auch die Alltagserfahrung – deuten auf einen komplexeren Zusammenhang hin: Entscheidend für die Sicherheit ist demnach nicht grundsätzlich mehr Licht, sondern eine der jeweiligen Situation angepasste Beleuchtungslösung. Und das kann mitunter sogar bedeuten, dass die Beleuchtung zu reduzieren wäre.

Eine vom amerikanischen Justizministerium durchgeführte Studie belegte bereits 1977, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Beleuchtung gibt. Ähnliche Untersuchungen aus anderen Ländern bestätigen seither immer wieder dieses Ergebnis. Manches deutet in den letzten Jahren sogar darauf hin, dass eine Zunahme von Kriminalität in Städten und Ballungsräumen zu verzeichnen ist – bei gleichzeitiger Intensivierung der Außenbeleuchtung! Wie die Studien zeigen, nimmt bei zunehmender Beleuchtung zwar die Angst der Bevölkerung vor Verbrechen ab, die Verbrechen selbst geschehen jedoch unabhängig davon.

Bei der Planung von Außenbeleuchtungen empfiehlt es sich deshalb Ziel und Zweck der Ausleuchtung stärker als bisher zu hinterfragen. Außerdem gilt es, die lokalen Gegebenheiten zu beachten und diese in die Planung einzubeziehen. Wichtig ist dabei vor allem, Blendungen und die Entstehung von Schlagschatten zu vermeiden – sonst kehrt sich der Effekt der Beleuchtung nämlich ins Gegenteil um: Einbrüche und Überfälle werden nicht erschwert, sondern sogar erleichtert. Ein geblendeter Passant oder Anwohner erkennt potenzielle Täter wesentlich schlechter oder gar nicht. Schlagschatten verschaffen Kriminellen eine zusätzliche Tarnung.

Der direkte Blick in die Leuchtquellen sollte daher stets durch den Einsatz von Blenden vermieden werden. Wegbeleuchtungen sollten, ihrem Zweck entsprechend, den Weg beleuchten – und nicht die Hauswände oder gar den Nachthimmel. Und Schlagschatten werden nicht durch immer hellere Lampen, sondern durch den Einsatz vieler – nur mäßig heller – Lichtquellen vermieden. Effektiv sind auch Beleuchtungen, die an Bewegungsmelder gekoppelt sind, weil sie nur dann erstrahlen, wenn sie wirklich benötigt werden.

Für die Straßenbeleuchtung gelten die gleichen Grundsätze: Es gilt, Blendung und Schlagschatten zu vermeiden. Gefährliche Passagen – wie enge Kurven oder Fußgängerübergänge – müssen natürlich auffällig beleuchtet werden. Die Signalwirkung dieser Abschnitte wird aber noch erhöht, wenn die übrige Beleuchtung angemessen reduziert wird. Eine gleichförmige Ausleuchtung der Straße kann außerdem, wie wiederum Untersuchungen aus den USA belegen, zu einer verminderten Aufmerksamkeit führen, da sie die Autofahrer in trügerische Sicherheit wiegt.

Besonders störend und gefährdend für Verkehrsteilnehmer sind animierte Leuchtreklamen und die sogenannten Skybeamer, die von Diskotheken zu Werbezwecken eingesetzt werden. Nach dem Schweizer Straßenverkehrsgesetz sind solche Leuchtreklamen bereits seit September 1979 in der Nähe von Straßen eindeutig verboten. Generell stellt jede Form der Straßenrand-Beleuchtung, die eine gewisse Fläche überschreitet und massiv heller ist, als die „normale“ Straßenbeleuchtung, eine Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs dar. Beispiele dafür sind etwa blendend hell beleuchtete Säulen, die, in Augenhöhe angebracht, den Autofahrer auf ein Geschäft oder eine Tankstelle hinweisen, oder aber Gebäudefassaden, die mit Halogen-Scheinwerfern gleißend hell angestrahlt werden.

Auch die Schweizer Flugsicherung „Swisscontrol“ beklagt sich über die Zunahme von Skybeamern und erblickt darin eine ernsthafte Gefährdung der Flugsicherheit, insbesondere im Anflugbereich. Neben der Gefährdung des Luft- und Straßenverkehrs stellen Skybeamer eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Zugvögel dar. Die Schwärme werden nämlich durch das starke Licht von ihren günstig gewählten Routen abgelenkt. Dadurch verlängern sich die Flugrouten oft erheblich – was zum Tode von schwächeren Tieren führen kann. Ähnliche Probleme sind seit langem von Leuchttürmen und hell beleuchteten Gebäuden her bekannt. Für viele Zugvögel werden die irritierenden Lichtquellen zu einer Falle – und ihre Reise endet in einer tödlichen Kollision.

Die Aufhellung der nächtlichen Umgebung durch künstliche Beleuchtung stellt auch für nachtaktive Tiere, die auf die schützende Dunkelheit angewiesen sind, ein ernstes Problem dar. Beim ersten europäischen Kongress zum Schutze des Nachthimmels, der 1998 in Paris stattfand, wurde jedoch deutlich, dass es bislang an wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema mangelte. Inzwischen ist es aber zumindest vereinzelt gelungen, staatliche Fördermittel für derartige Projekte einzuwerben. So konnten an der katalonischen Mittelmeerküste systematische Beobachtungen an nachtaktiven Insekten durchgeführt werden. Die Insektenforscher stellten dabei fest, dass manche Arten von Nachtfaltern überdurchschnittlich stark von hellen Beleuchtungskörpern angezogen werden und dadurch zu einer leichte Beute für Fledermäuse und nachtaktive Vögel werden. Die Populationen einiger Arten wurden bereits stark dezimiert und das Überleben dieser Arten ist gefährdet.

Es gibt also genügend Gründe dafür, die übertriebene Beleuchtung unserer Städte zu überdenken. Die Außenbeleuchtung soll in erster Linie unserer Sicherheit dienen. Dieses Ziel lässt sich am Besten durch den gezielten, effektiven Einsatz von Beleuchtungskörpern erreichen – und nicht dadurch, dass man versucht, die Nacht zum Tage zu machen.

Eine Reduzierung der städtischen Beleuchtung auf das Notwendige würde nicht nur eine Verbesserung der allgemeinen Sicherheit mit sich bringen, sondern auch eine Kostenreduktion, da weniger Material und auch weniger Strom benötigt wird. Und nicht zuletzt gibt es auch eine kulturelle Komponente: Nur der behutsame Einsatz nächtlicher Beleuchtungen erlaubt es den Menschen weiterhin, den faszinierenden Anblick des sternenübersäten Nachthimmels zu genießen.

Philipp Heck ist Mitglied von „Dark-Sky Switzerland“, einer Fachgruppe der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft, die sich für eine effizientere Außenbeleuchtung und eine Reduktion der Lichtverschmutzung einsetzt.

Sag´ mir wo die Sterne sind…

…wo sind sie geblieben? Die Sterne ertrinken im Lichtermeer der Städte.

von Rainer Kayser – im Original erschienen in der MorgenWelt Wissenschaft am 15.11.1999

Der Anblick des funkelnden Sternenhimmels, durchzogen vom schimmernden Band der Milchstraße, ist den meisten Menschen heutzutage lediglich während einer Urlaubsreise vergönnt. In der Großstadt bleibt er den Menschen vorenthalten. Großstadtkinder lernen die Sternbilder heute allenfalls nur noch im Planetarium kennen. Während sich nämlich in dunkler Nacht unter guten Sichtbedingungen einige Tausend Sterne mit dem bloßen Auge erkennen lassen, sind es in den städtischen Ballungsräumen oft gerade einmal ein Dutzend. Die Sterne ertrinken förmlich im Lichtermeer der Städte: gegen Straßenbeleuchtung, Flutlichtanlagen und Leuchtreklame haben sie kaum eine Chance.

Manche Kinder wollen denn auch partout nicht glauben, dass die ihnen im Planetarium gebotene „Lightshow“ eine naturgetreue Darstellung des Sternenhimmels ist. Freilich – so ganz unschuldig sind auch die Planetarien-Betreiber an diesem Missverständnis nicht, versuchen sie doch allzu häufig, das Hollywood-verwöhnte Publikum mit aufwändigen Spezialeffekten zu begeistern. Die Trennung zwischen Fiktion und Fakten fällt da nicht nur Kindern schwer. Und damit vertut man dann oft auch die Chance, den Planetariumsbesuchern zu vermitteln, welch kulturellen Verlust die exzessive Stadtbeleuchtung mit sich bringt.

Während die professionellen Sternenforscher vor der Lichterflut mit ihren teuren Instrumenten in Gegenden fernab der Zivilisation flüchten – etwa an die Europäische Südsternwarte in Chile -, wird den Hobby-Astronomen das Leben zusehends schwerer gemacht. „Im Schweizer Mittelland ist es als Amateur heute schon schwierig, etwas Sinnvolles zu machen,“ klagt Patrik Schellenbauer von der Organisation Dark Sky Switzerland (DSS). Schwächer leuchtende Galaxien seien kaum noch aufzuspüren.

Doch seit einigen Jahren beginnt sich Widerstand zu regen gegen die ausufernde Beleuchtung. Vor zehn Jahren gründete David Crawford von der Kitt Peak Sternwarte in Arizona die International Dark-Sky Association (IDA), in der Amateur- und Profi-Astronomen gemeinsam mit Lichttechnikern und Architekten für die Rettung der nächtlichen Dunkelheit kämpfen.

In der Folge bildeten sich in aller Welt nationale Gruppierungen, wie etwa „Dark Sky Switzerland“, die sich bemühen, das Problem der „Lichtverschmutzung“ überhaupt erst einmal in das Bewusstsein der Menschen zu rücken.

Mehr Licht nämlich, bedeutet für viele Menschen zumeist schlicht: mehr Sicherheit. Doch der Schein trügt, weiß Patrik Schellenbauer zu berichten: „So, wie heute beleuchtet wird, steht das dem legitimen Sicherheitsbedürfnis der Bürger oft genug entgegen.“ Anstatt dunkle Ecken auszuleuchten, beleuchtet ein Großteil des Lichtes den Himmel, weil die Lichtquellen häufig nach oben hin ausgerichtet sind. Der unangenehme Nebeneffekt: Die Menschen werden geblendet – und sehen dadurch schlechter, als dies bei schwächerer, gut abgeschirmter Beleuchtung der Fall wäre. Auch bei der Straßenbeleuchtung bedeutet weniger (Licht) oft mehr (an Wirkung): Zuviel Beleuchtung, so belegen Studien aus den USA, wiegt Autofahrer in Sicherheit und verführt zu schnellerem, risikofreudigerem Fahren.

Jüngstes Ärgernis am nächtlichen Himmel sind die „Sky Beamer“. „Und die werden nicht mehr nur bei Techno-Parties installiert – heute wollen die Leute bei jedem Feuerwehrfest einen Sky Beamer haben!“ schimpft Schellenbauer.

Doch es gibt auch Positives zu berichten. Dank der Lobbyarbeit der IDA haben zahlreiche amerikanische Städte – vorneweg das nahe der Kitt Peak Sternwarte gelegene Tucson – strikte Auflagen für Außenbeleuchtungen erlassen. Selbst Großstädte wie Los Angeles und Denver sind dabei, ihre Straßenbeleuchtungen nach oben abzuschirmen.

Für internationales Aufsehen sorgte auch der Umweltausschuss der Stadt Augsburg, der vor zwei Jahren einen ganzen Maßnahmenkatalog zur Rettung des dunklen Nachthimmels verabschiedete: Bis zum Jahr 2005, so die Forderung, sollte die gesamte Außenbeleuchtung der Stadt „himmelsfreundlich“ sein. Zwar mokierte sich die örtliche Presse: – „Motten, Mücken und was sonst noch nachtaktiv unterwegs ist, soll sich künftig beim schummrigen Schein von Natriumdampflampen munter weitervermehren“, hieß es in der Augsburger Allgemeinen -, doch in der Stadtverwaltung ließ man sich nicht beirren: die Maßnahmen werden Punkt für Punkt umgesetzt.