Naturfreund – Wertvolles Dunkel schaffen

Lichtverschmutzung ist ein gravierendes Problem, das Pflanzen, Tieren und den Menschen schadet. Die Lösung dafür ist jedoch – wenig überraschend – ganz schlicht und einfach. Man muss nur wollen.

Artikelbeitrag von DarkSky Switzerland in der Zeitschrift Naturfreund der Naturfreunde Schweiz:
» Wertvolles Dunkel schaffen (online)
» Wertvolles Dunkel schaffen (pdf)

Zugvögel

von Liliana Schönberger

Frühling und Herbst sind für jeden Vogelbeobachter sehr spannende Jahreszeiten. Der saisonale Vogelzug ist eines der grossartigsten Phänomene der Welt, vor allem wenn man bedenkt, dass in Europa die grosse Mehrheit der Vögel nachts zügelt – allein in den alpinen Zugkorridoren ziehen jedes Jahr über 200 Millionen Vögel durch!

Für Vögel, die von den Brutgebieten in die Winterquartiere (Herbstzug) und von den Winterquartieren in die Brutgebiete (Frühjahrszug) ziehen, ist Lichtverschmutzung eine der Hauptursachen für die direkte Sterblichkeit von Vögeln aufgrund menschlicher Aktivitäten.

Zugvögel sind gezwungen, bei ungünstigen Wetterbedingungen (wenn die natürlichen «Wegweiser» durch Wolken oder Nebel verdeckt sind), ihre Flughöhe zu senken, was ebenfalls häufig zu tödlichen Kollisionen mit dicht beleuchteten Gebäuden in Stadtzentren führt. Das Phänomen, dass Vögel von künstlichem Licht angezogen werden, wurde bereits im 19. Jahrhundert beobachtet und betraf vor allem Leuchttürme und beleuchtete Schiffe [1]. Auf dieser Grundlage wurde zum Beispiel die Identifizierung wichtigerer Zugrouten ermöglicht [2, 3]. 

Von den festgestellten negativen Auswirkungen von künstlichem Licht auf Zugvögel werden am häufigsten Anlockungs-, Desorientierungseffekte genannt. Die Art dieser Auswirkungen kann sich direkt auf die Sterblichkeitsrate auswirken, aber 

auch indirekt, z. B. durch einen erhöhten Energieverbrauch während der Wanderung infolge von Desorientierung und Änderungen der Wanderroute [5].

Die bekannteste und am besten untersuchte Wirkung von künstlichem Licht ist der Anlockungseffekt [4]. Zugvögel nutzen die Himmelskörper während der Nacht als Navigationshilfe und um die richtige Flugrichtung beizubehalten. Vögel, die auf ihrem Weg auf künstliche Lichtquellen stossen, sei es einzeln (z.B. ein Schiff auf See, ein Sendemast), in Gruppen (z.B. ein Windpark) oder in Form von flächendeckender Beleuchtung (eine Stadt, urbane Gebiete), 

können ihre Flugrichtung ändern, da sie fälschlicherweise künstliches Licht als Sterne interpretieren [6]. Dieser Effekt wird besonders bei Nebel, starker Bewölkung und Niederschlag verstärkt [7-11], wenn die Himmelskörper nicht sichtbar sind und die Vögel ihre Flughöhe senken. In klaren Nächten um den Vollmond herum ist die Anziehungskraft deutlich geringer [12]. Vögel, die von Licht-Quellen angezogen werden, kollidieren mit den Strukturen, auf denen die Beleuchtungskörper installiert sind, oder sie kreisen um die Lichtquelle und verlieren so die Energie, die sie für ihren Zug benötigen [13].

Ein Desorientierungseffekt tritt auf, wenn ein Vogel nicht in der erwarteten Richtung fliegt, sondern stattdessen anfängt zu kreisen oder sich chaotisch zu und von einer Lichtquelle zu bewegen [13,14]. Besonders anfällig dafür sind Jungvögel, die auf ihrem ersten Zug ins Winterquartier wegen Lichtverschmutzung viele Zwischenstopps einlegen, von der kürzesten Route abweichen oder sogar in die falsche Richtung wandern [15,16]. Einerseits wird dies mit der Unerfahrenheit erklärt, andererseits mit dem grösseren Einfluss von künstlichem Licht auf junge Vögel.

Zahlreiche Studien bestätigen eindeutig negative Auswirkungen von künstlichem Licht auf den Verlauf des saisonalen Zugs in allen untersuchten taxonomischen Gruppen von Zugvögeln. Dies sollte eine hinreichend starke Begründung sein und einen eindeutigen Anstoss für die Einführung von Massnahmen zur Minimierung der Lichtverschmutzung. Obwohl es keine eindeutigen Antworten gibt, ist die offensichtliche Schlussfolgerung, dass die beste Lösung für die Umwelt (nicht nur für Zugvögel) darin besteht, die künstliche Beleuchtung während der Nacht zu reduzieren.

Quellen

[1] Allen J. A., Destruction of birds by light-houses, “Bulletin of the Nuttall Ornithological Club 5”, 1880, no. 3, pp. 131–38. 

[2] Merriam C. H. Preliminary report of the committee on bird migration, “Auk”, 1885, vol. 2, pp. 53-65.

[3] Munro A., A preliminary report on the destruction of birds at lighthouses on the coast of British Columbia, “Canadian Field-Natumlist”, 1924, no. 38, pp. 141-145.

[4] Van Doren B.M., Horton K.G., Dokter A.M., Klinck H., Elbin S.B., Farnsworth A., High-intensity urban light installation dramatically alters nocturnal bird migration,
“Proceedings of the National Academy of Sciences” 2017, vol. 114, no. 42, pp. 11175-11180, DOI:10.1073/pnas.1708574114.

[5] Bruderer B., Vogelzug. Eine schweizerische Perspektive, no. December, 2017.

[6] Atchoi E., Mitkus M., Rodríguez A., Is seabird light induced mortality explained by the visual system development?, “Conserv. Sci. Pract.” 2020, vol. 2, no. 6, pp. 2–5.

[7] Thompson D., Effects of ships lights on fish, squid and seabirds, Wellington, 2013.

[8] Alerstam T., Ecological causes and consequences of bird orientation, “Orientat. Birds” 1991, vol. 46, pp. 202–225.

[9] Ronconi R.A., Allard K.A., Taylor P.D., Bird interactions with offshore oil and gas platforms: Review of impacts and monitoring techniques,
“J. Environ. Manage.” 2015, vol. 147, no. October 2014, pp. 34–45.

[10] Pettersson J., Night migration of songbirds and waterfowl at the Utgrunden off-shore wind farm: a radar-assisted study in southern Kalmar Sound, 2011.

[11] La Sorte F.A. et al., The role of atmospheric conditions in the seasonal dynamics of North American migration flyways, “J. Biogeogr.” 2014, vol. 41, no. 9, pp. 1685–1696.

[12] Montevecchi W.A., Influences of artificial light on marine birds, “Ecol. consequences Artif. night Light.” 2006, pp. 94–113.

[13] Isaksson C., Bird Species. How They Arise, Modify and Vanish, “Cham: Springer Open” 2015.

[14] Rodríguez A. et al., Seabird mortality induced by land-based artificial lights, “Conserv. Biol.” 2017, vol. 31, no. 5, pp. 986–1001.

[15] La Sorte F.A., Fink D., Buler J.J., Farnsworth A., Cabrera-Cruz S.A., Seasonal associations with urban light pollution for nocturnally migrating bird populations,
“Glob. Chang. Biol.” 2017, vol. 23, no. 11, pp. 4609–4619.

[16] Horton K.G, Nilsson C., Van Doren B.M., La Sorte F.A., Dokter A.M., Farnsworth A., Bright lights in the big cities: migratory birds’ exposure to artificial light,
“Front. Ecol. Environ.” 2019, vol. 17, no. 4, pp. 209–214.

 

 

Geroldswiler Gemeindenachrichten – Lichtverschmutzung reduzieren können alle!

Lichtverschmutzung ist die künstliche Aufhellung des Nachthimmels und die störende Auswirkung von Licht auf Menschen und Natur. Der Begriff «Lichtverschmutzung» ist eine direkte Übersetzung aus dem Englischen (light pollution). Es handelt sich um eine anerkannte Form von Umweltverschmutzung wie etwa Luft- oder Gewässerverschmutzung.

» Lichtverschmutzung reduzieren können alle! (pdf)

 

Tagungsbeitrag Umweltrecht (URP) – Massnahmen für einen verbesserten Vollzug Lichtemissionen

Lichtemissionen (Strahlen) werden im USG 1985 und seit 1997 am BGer verhandelt, jedoch werden die Eigenheiten nichtionisierender Strahlung noch nicht in jedem Fall genügend gewürdigt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schweizer Gemeinden autonom für die Einhaltung der Vorsorge zuständig sind und das Grundwissen bisher nicht gleichwertig vorhanden war. Dieser Artikel zeigt an Beispielen auf, wie sich beides in der Verbandsarbeit auswirkt.

URP 3|2022, Seiten 256 -267

» Massnahmen für einen verbesserten Vollzug Lichtemissionen (pdf)

 

Ist Lausanne gezwungen, leuchtende Werbebildschirme aufstellen zu lassen?

Die Städte in der Romandie arbeiten nun unmissverständlich an der Reduzierung der Lichtverschmutzung. In den letzten Jahren wurden zahlreiche und immer ehrgeizigere Lichtpläne veröffentlicht, die auf eine Verbesserung der Lebensqualität und einen besseren Schutz der nächtlichen Umwelt abzielen.
 
Die Stadt Lausanne bildet hier keine Ausnahme, sieht aber gerade ihre Bemühungen durch eine Handvoll Unternehmen gefährdet. Nach einem langen und berechtigten Widerstand gegen ein privates Unternehmen, das im Quartier Flon digitale Werbeanzeigen installieren wollte, hat das Bundesgericht die Beschwerde des Unternehmens wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen, obwohl das Waadtländer Kantonsgericht die negativen Auswirkungen dieser Werbeanzeigen anerkannt hatte. Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Werbedisplays um riesige, animierte und extrem helle Touchscreens, die eine immense Lichtverschmutzung für die Nutzer und Anwohner verursachen.  Unter dem Deckmantel der „Dienstleistung“ (man kann mit dem Bildschirm interagieren, um beispielsweise den Fahrplan der öffentlichen Verkehrsmittel zu erhalten), verbreiten diese Bildschirme aufdringliche und wuchernde Werbung. Die Stadt Lausanne erachtete diese Installationen als ungeeignet für den öffentlichen Raum, wollte jedoch das Verfahren nach dem Scheitern vor dem Bundesgericht nicht wieder aufnehmen. Sie sah sich daher gezwungen, einen dieser Bildschirme aufzustellen, wobei der Versuch zwei Jahre dauern sollte. Doch der Fuss steckt in der Tür, und da die Allgemeine Plakatgesellschaft (APG/SGA) die Möglichkeit witterte, die Stadt ihrerseits leicht in die Knie zu zwingen, erhielt auch sie ihren Bildschirm vor dem Bahnhof Lausanne, ebenfalls für eine Dauer von zwei Jahren. Die Stadt Lausanne ist auf dem besten Weg, die Kontrolle über einen Teil ihres öffentlichen Raums zu verlieren.
 
Dark-Sky Switzerland ist besorgt über diese Entwicklung, bei der nur die Plakatfirmen gewinnen, ohne Rücksicht auf die Einwohnerinnen und Einwohner, die Gemeindebehörden und die nächtliche Umgebung. Wir halten fest, dass das Bundesgericht keine Rechtsprechung gegen die Gemeindebehörden erlassen hat, sich gegen diese Art von Installationen zu wehren, sondern lediglich die Beschwerde der privaten Firma aufgrund von Verfahrensfehlern zugelassen hat. Die Gemeinde Lausanne und alle anderen Gemeinden, die mit einem solchen Installationsantrag konfrontiert sind, behalten daher ihre Einspruchsmöglichkeit. Dark-Sky Switzerland hält es für notwendig, sich mit allen Mitteln gegen die schrittweise Einführung neuer wuchernder Lichtquellen ohne Sicherheits- oder kulturellen Wert in der Stadtlandschaft zu wehren. Der Verein ist zuversichtlich, dass die Einsprachen gemäss Artikel 11 des Umweltschutzgesetzes begründet sind, und es ist sehr wahrscheinlich, dass das Bundesgericht den Gemeindebehörden Recht geben wird, falls es in einem fehlerfreien Verfahren erneut konsultiert werden muss.
 
Keine Schweizer Gemeinde muss Werbelicht im öffentlichen Raum bewilligen, wenn sie es nicht möchte. Jede Gemeinde kann bei Werbelicht die Ausschaltung im Zeitraum von 22-6 Uhr verfügen und die Einhaltung von Richtwerten für die Leuchtdichten der entsprechenden Umgebungszonen verlangen, wenn Sie diese Bauformen bewilligt. Baugesuche sind entsprechend zu behandeln, damit lässt sich der Konflikt mit Anwohnern und Umweltschützern reduzieren.

 

Einer der Lausanner Bildschirme, vor dem Bahnhof.

Der Grosse Rat Genf erlässt Gesetze gegen privat verursachte Lichtverschmutzung

Der Grosse Rat des Kantons Genf hat letzte Woche einen Text verabschiedet, der die Lichtverschmutzung durch Privatpersonen beschränken soll: Die Aussenbeleuchtung muss zwischen 1 Uhr und 5 Uhr morgens ausschalten. Auch wenn das ursprüngliche Bestreben des Textes zu begrüssen ist, leidet er leider unter zahlreichen Ausnahmen, die von der rechten Seite des Parlaments stammen und seine Bedeutung schmälern: Schaufenster und touristische Gebiete sind nicht davon betroffen. Die Initiant·inn·en der Gesetzesentwürfe waren von dieser Wendung enttäuscht und kämpften schliesslich sogar aktiv gegen die Verabschiedung des Textes!

Privat verursachte Lichtverschmutzung ist in Stadtzentren oft vorherrschend, vor allem zu einer Zeit, in der Gemeinden sich endlich der Verschmutzung durch ihre Strassenbeleuchtung bewusst werden und Strategien zur Eindämmung umsetzen. Es gibt in der Schweiz noch wenige Beispiele für Gesetzestexte, die sich mit privat verursachter Lichtverschmutzung befassen, und jeder Schritt in diese Richtung ist zu begrüssen. Hoffentlich kommen die Projektträger in naher Zukunft mit einer neuen, verbindlicheren Version zurück und die bürgerlichen Parteien erkennen, dass die Massnahme keine messbaren wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Geschäfte hat.

Interessanterweise erinnert die neue Vollzugshilfe des Bundesamtes für Umwelt daran, dass alle Beleuchtungen, die nicht für die Sicherheit notwendig sind, während der Ruhezeit von 22-6 Uhr ausgeschaltet oder reduziert werden müssen. Die berühmten Werbeschilder entlang der Genfer Quais, die (seltsamerweise) noch immer der Stolz der Stadt sind, sind bereits mit dem Umweltschutzgesetz in Konflikt geraten und sollten, wenn die Vollzugsbehörden ihre Arbeit richtig machen, nicht mehr in dieser Form für den Bau zugelassen werden, was in Genf bis vor einigen Monaten noch nicht der Fall war.

Originaltext in französisch verfasst.